9. Februar 2022

Der Indie-Schlaumeier-Award 2013

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»Das ist nicht deren Ernst, oder?«

»Ich weiß es nicht.«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Es wurde mir von einem Freund zugetragen.« Erneut beugte ich mich über den Teller Ravioli, während Katja genüsslich an ihrer E-Zigarette paffte. Dies tat sie immer, wenn wir gemeinsam zu Mittag aßen. Wobei, gemeinsam war anders, viel eher war es so, ich aß und sie leistete mir Gesellschaft dabei. Nicht selten mit einem ihrer elektronischen Suchtstängel im Mundwinkel.

»Wo soll „es“ denn stattfinden?« Sie gab keine Ruhe, aber das tat sie nie.

»Im Hotel Adlon vermutlich. Aber da bin ich ganz ehrlich überfragt.« erwiderte ich und schob mir einen weiteren Löffel Ravioli in den Mund. »Auch Russland könnte ich mir sehr gut als Austragungsort vorstellen, dann bräuchte Sandro nicht erst nach Berlin reisen.« Was die Welt von einem weiteren sinnlosen Reisebericht, den doch niemand kaufte, verschonte. Aber diesen Gedanken behielt ich vorsorglich für mich.

»Das glaube ich alles nicht!« Ihre Stimme klang nun ein wenig trotzig, aber das war bei ihr normal. Wann immer sie sich etwas nicht vorstellen konnte – und ihr Gehirn schien eine Menge Hohlraum zu haben – verfiel sie in diese Trotzhaltung. Aber auch wenn sie es sich nicht vorstellen konnte, ich wusste, dass sie die Wahrheit kannte und dass sie dieses Gespräch an ihre Junkies weiterleiten würde, auch wenn sie dabei die Tatsachen verdrehte und Neues hinzu erfand. Doch das konnte mir nur recht sein.

»Gibt es sonst was neues von der Front?« versuchte ich das Thema erst einmal zu ändern. An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass sie die Frage überhört hatte. Ich konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen, schließlich hatte Rudolph sie auf mich angesetzt, um herauszufinden, wie ich es immer wieder schaffte an Informationen zu kommen, die nur in ihrem elitären Junkiekreis existierten. Einige von ihnen vermuteten sogar, ich hätte mir verkleidet einen Zutritt zu ihrer Gruppe verschafft, was mich immer wieder zum Schmunzeln brachte. Lächerlich, aber es bewies, dass der Säufer mit der roten Nase, wie Rudolph hinter seinem Rücken genannt wurde, sein Gehirn längst im Alkohol ertränkt hatte. Bestimmt kein Einzelfall bei den Junkies, aber das brauchte mich nicht weiter zu stören.

»Und, was willst du jetzt damit machen?«, unterbrach Katja meine Gedanken. Im ersten Augenblick hatte ich keine Ahnung, wovon sie gerade sprach, was sie mir ansah, denn sie setzte fort: »Ich meine, wirst du ihn annehmen?«

»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.« gab ich offen zu. »Aber sollte es einmal so weit kommen, dann denke ich, dass er sich recht gut in meiner Sammlung machen könnte.« Das war nicht ganz die Wahrheit, aber diese leichte Überheblichkeit passte durchaus sehr gut zu meinem Ruf. Natürlich konnte ich mir kaum vorstellen, einen solchen Preis jemals anzunehmen. Schon gar nicht würde ich wegen so etwas nach Berlin oder Russland reisen.

Katja starrte mich leicht lächelnd an. Die kleinen Falten, die dabei ihre Stirn wellten, ließen darauf schließen, dass sie dabei angestrengt nachdachte. Oder es zumindest versuchte. Vermutlich überlegte sie sich, wie sie das soeben gehörte am Besten aufbereiten konnte, um es dem Hamburger Jungen, der alltäglich mit seiner Orthografie onanierte zu verticken.

Alleine diese Vorstellung brachte mich nun auch zum Grinsen. Immer wenn sich meine Gedanken um diesem Jungen drehte, was zwar nur recht selten vorkam, obwohl wir öfters mal aufeinandertrafen, musste ich grinsen. Dabei ist es kaum seine Schuld, dass sein Oberstübchen nicht mehr ganz fitt ist. Jeder, der ein solchen Grauen hinterm Deich erlebte, musste zwangsweise einen leichten bis mittleren Knacks davon tragen.

Damit es ihr nicht auffiel, griff ich nach meinem Glas Whisky und gönnte mir einen kräftigen Schluck vom Lebenssaft. Nachdem die braune Flüssigkeit meine Kehle hinab geflossen war und in meinem Magen eine wohlige Wärme verbreitete, schob ich meinen halb leeren Teller Ravioli von mir weg, um dem Kellner zu signalisieren, dass wir nun fertig waren.

»Und du würdest den Schlaumeier Award tatsächlich annehmen?« Aha, dachte ich, darüber hatte sie sich also Gedanken gemacht. Sie glaubte vermutlich, ich würde sie, die Jägerin, auf den Arm nehmen. Aber da konnte sie ganz beruhigt sein. Und eine passende Antwort, welche sie beruhigte, hatte ich obendrein parat.

»Na klar, würde ich ihn annehmen!«, log ich, wobei so wirklich gelogen war es auch wieder nicht. »Lieber einen Schlaumeier Award im Schrank, als gekaufte Rezensionen auf Amazon.«

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