6. April 2021

Erwin und die Straßenmusikerin


Seit bereits mehr als einem Jahr hält uns die Pandemie in ihrem Bann, zwingt uns dazu, unser normales Leben massiv einzuschränken. Der Staat tut was er kann, um der Wirtschaft zu helfen - unabhängig davon, ob diese Hilfen nun gut oder schlecht sind; ob sie problemlos laufen oder nur mit massiven Hindernissen zugänglich sind; ohne diese Hilfen würde es vielen Menschen in diesem Land noch deutlich schlechter gehen.

Und obwohl die Bundesregierung vieles für die Menschen ermöglicht, so fallen immer noch zu viele durchs Rost, u.a. auch weil die Maßnahmen zu statisch sind. Gerade die Ärmsten der Armen leiden verstärkt unter den Lockdown-Maßnahmen. Viele öffentliche Waschanlagen und WCs sind aufgrund der Hygeneverordnung geschlossen, was neben den Fernfahrern auch die Obdachlosen stark betrifft.

Aber auch die teilweise nicht notwendige Kurzarbeit bei vielen Firmen und die damit verbundene Finanzeinbußen der Arbeitnehmer wirkt sich negativ auf die Gesellschaft aus, was gerade bei und durch Gespräche mit Straßenmusikern fällt dieses auf - wobei auch ich, wie viele meiner Kollegen, dieses ebenfalls bemerken.


Erwin und Julia


Erwin ist 24 Jahre alt, lebt seit Jahren mit seiner Freundin Julia und ihrer Dogge von den Einnahmen als Straßenmusiker. Der gebürtige Berliner tourt das ganze Jahre durch die Bundesrepublik, hat an vielen Orten übernachtungsmöglichkeiten gegen kleines Geld, zum Beispiel auch hier in Hamburg, wo er in einer Jugendherberge für nur 12 Euro den Tag unterkommen könnte. Seit ein paar Tagen ist er wieder in Hamburg. Wie jedes Jahr um diese Zeit zieht es den jungen Mann in die Hansestadt, da seine Freundin Julia von hier stammt und am 05.04. ihren Geburtstag feiert.

Doch, was als ein toller Trip geplant war, verwandelte sich in einen Höllentrip aus dessem Teufelskreislauf die beiden nicht mehr aus eigener Kraft herauskommen.

Obwohl die beiden Straßenmusiker jeden Tag durch die Stadt tingeln, immer wieder ihren Standort verändern, um die Menschen mit ihrer Musik zu begeistern, sitzt das Geld der Hanseaten längst nicht mehr so locker, wie in den Vorjahren. In einem persönlichen Gespräch erzählte er mir, dass sie in den letzten 48 Stunden gerade einmal 2,80 Euro verdient haben, dass sie seit ihrer Ankunft in Hamburg auf der Straße leben müssen, da sie die 12 Euro für die Herberge nicht mehr zusammenbekommen. 

Noch letztes Jahr war dies kein Problem.

Doch dieses Jahr ist alles anders. Und die Finanzmiserie hat noch andere Nebenfolgen, denn die einzigen öffentlichen Toiletten sind jene am Hauptbahnhof und die gehören mit zu den teuersten der ganzen Stadt. Und selbst diese WCs sind nur eingeschränkt zugänglich zur Zeit. Niemals zuvor war es wichtiger, die Herberge als Unterschlupf zu haben, und doch gelingt es den beiden nicht, das notwendige Geld zu verdienen.


Eindämmung oder doch Durchseuchung?


Und es sollte noch schlimmer kommen. Seit kurz nach ihrer Ankunft in Hamburg fühlt sich Julia krank und wird jeden Tag kranker. Die Symptome könnten zu einer Gripper gehören, doch die stärker werdenden Schmerzen in der Brust lassen eher das Schlimmste befürchten: Corona.

Erwin macht sich Sorgen um seine Freundin. Natürlich hat er versucht, einen vielgepriesenen Coronatest für sie zu bekommen, jedoch als nicht Hamburger Einwohnen, sind beide nicht für einen kostenlosen Coronatest zugelassen. Sollten sie diesen machenlassen wollen, müssen sie doch bitte zu ihrer Meldeadresse zurückkehren, die beide schon seit Jahren nicht mehr haben. 

Julia wird hier in Hamburg keinen Test bekommen, außer sie kauft sich einen, wozu das Geld fehlt. Selbst ihre Symptome und der Tatbestand, dass sie jeden Tag mit vielen Menschen in Berührung kommt, interessiert die Behörden nicht. Sie wird ihre Krankheit auf der Straße auskurieren müssen. Beide sind bereits so weit, dass sie Hamburg am liebsten wieder verlassen würden, doch dazu fehlt das Geld, mal abgesehen davon, dass Julia vermutlich aufgrund der Coronasymptome ohnehin in keine Bahn darf. 


Fazit und Bitte


Natürlich sitzt unser Geld nach einem Jahr Pandemie nicht mehr locker, dennoch haben wir alle nicht auch eine Verpflichtung unserer Mitmenschen gegenüber? Ein paar Cent, vielleicht ein Euro, sollte jeder von uns hin und wieder noch überhaben. Nie war es so wichtig wie in diesen Zeiten, mehr zu geben, als zu nehmen - denn wir kommen nur gemeinsam und miteinander durch diese harte Zeit.

Aber auch die Behörden sollten ein Stück Bürokratie abbauen und den ärmsten mehr Hilfen ermöglichen und zusprechen, alleine schon, um zu verhindern, dass deren Erkrankung uns immer wieder in neue Lockdown führen. Auch ich, der oft und viel mit fremden Menschen in Berührung kommt, müßte für einen wöchentlichen Gratis-Coronatest immer erst von Hamburg nach Essen fahren.

Vielleicht wird bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz auch für diese Probleme endlich eine Lösung angegangen, immerhin übernachten viele Obdachlose in Bahnhöfen und überdachten Unterführungen, wo wir jeden Morgen die Schüler und Arbeitnehmer hindurchjagen. 

Vielleicht …!

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