5. März 2020

Der Wandsbecker Bothe


Geschichte hat mich schon immer fasziniert, insbesondere die Geschichte meiner direkten Umgebung.
Kaum meiner Kindheit entwachsen, begann ich damit, die Vergangenheit meiner Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen. So manches hatte ich bereits in der Grundschule gelernt, und doch, vieles wurde und wird in der Schule einfach unter den Teppich gekehrt oder fehlerhaft gelehrt.
Geschichte und mein Werk sind oftmals enger miteinander verbunden, als es auf den ersten Blick den Anschein hat; zum Beispiel als ich 1999 das Gedicht „Schleswig-Holstein“ schrieb, nutzte ich ein DinA4 großes Hardcoverbuch über die letzten Einhundert Jahre von Schleswig-Holstein als Grundlage, so manche Zeile des Gedichtes geht sogar darauf zurück.

Damals war es das erste Mal seit dem Tod meines Großvaters vier Jahre zuvor, dass ich wieder etwas auf Deutsch schrieb. Und es wurde der Beginn meiner Karriere, die bis heute trotz ihrer Höhen und Tiefen anhält.
Mit diesem einen Gedicht und insbesondere mit dessen Veröffentlichung begann ich wieder auf Deutsch zu schreiben, anfänglich noch recht unregelmäßig, aber wieder beseelt von dem Traum in die Riege der berühmten deutschen Dichter und Denker aufzusteigen.

VON DER NORDSEE BIS ZUR SCHLEI
Und mit diesem Ziel begann ich damit, mich mit lokalen Dichtern und Autoren zu beschäftigen. Um ehrlich zu sein, mit Goethe und Schiller konnte ich nichts anfangen, beide sagten mir nicht zu. Außerdem hatten sie kaum einen Bezug zu meiner norddeutschen Heimat. Bei Theodor Storm, Wolfgang Borchert und Bertholt Brecht sah es schon anders aus. Gerade der erstgenannte konnte mich mit seinen Novellen und Gedichten begeistern und das beste war, er stammte auch noch aus Husum, also aus Schleswig-Holstein. 
Das Jahrhundert wechselte, und ich begann damit meinem neuen Vorbild nachzueifern. Und bereits das erste Gedicht, welches ich schrieb („Die deutsche Rotbunte“) wurde ebenfalls veröffentlicht. Dazu die ausgedehnten Wanderungen durch das Tunneltal, mein bislang letzten Besuch in unserem Wochenendhäuschen an der Schlei, und die Arbeit mit Kindern im Kinderhaus Ahrensburg machten mein Leben wirklich lebenswert.
In Lindaunis an der Schlei, bewaffnet mit den Gesammelten Werken von Theodor Storm, schrieb ich mein „Ahrensburg am Morgen“, angelehnt an „Die graue Stadt“ von Storm.
Doch dieses positive Lebensgefühl sollte nicht anhalten und so kam es, dass ich im September 2000 mein Ahrensburg hinter mir ließ und mit einem kurzen Zwischenspiel über den Jahreswechsel in Hamburg-Rahlstedt meine neue Heimat in Wilhelmsburg bzw Kirchdorf-Süd fand.

DIE BEIDEN Ws DER NEUEN ZEIT
Auf der Elbinsel gelang es mir immer weniger, noch etwas sinnvolles zu Papier zu bringen; die Schreibblockade übernahm die Kontrolle. Anfänglich gelang es mir noch diverse Mini-Geschichten für Sex-Magazine zu schreiben, aber je mehr ich schrieb, desto eintöniger kam es mir vor, bis ich es wieder bleiben ließ und mich ganz der aufkommenden Depression hingab.
Wilhelmsburg tat meiner Karriere nicht gut, was ich aber damals nicht begriff.
Aber diese neue Zeit hatte auch ihre guten Seiten. Ich besuchte nun etwas öfters und regelmäßiger meiner Oma in Wandsbek. Und neben der Geschichte Wilhelmsburg nahm ich nun auch die Geschichte dieses Stadtteils etwas genauer unter die Lupe. Und dabei lernte ich den Wandsbecker Bothen, Matthias Claudius, kennen.
Wo Storm noch recht altmodisch, „hochgestochen“ schrieb, begeisterte Claudius mich mit einfachen Versen, dessen Inhalt wichtiger als der Literarische Anspruch war - eine Art, die mir deutlich entgegen kam, auch wenn es mir damals nicht gelang, sie umzusetzen.
Beinahe ein Jahrzehnt blieb ich in Wilhelmsburg, bis ich die Chance bekam über Heimfeld nach Mauritius auszuwandern.
Und auf dem kleinen Paradies im Indischen Ozean fiel die Schreibblockade wieder von mir ab, obwohl ich mit dem Kapitel „Autor“ bereits abgeschlossen hatte.

MATTHIAS UND MYSTORYS AM FENSTER
Eigentlich war es reiner Zufall, dass ich 2011 Mystorys entdeckte, denn eigentlich hatte ich nur nach einer Plattform für unentgeldliche, deutschsprachige ebooks gesucht. Die Plattform, aber auch ihre Mitgliedern gefielen mir und obwohl ich am Anfang nur dort war, um zu lesen, wuchs in mir der Wunsch, selbst etwas einzustellen. Und so begann ich erneut zu dichten.
Ohne darüber nachzudenken, schlug ich meinen eigenen Weg dabei ein. Obwohl Theodor Storm immer noch zu meinen Lieblingsautoren gehört, war es mir nun nicht mehr wichtig literarische Meisterwerke zu produzieren; viel eher wollte ich Volksnah wie ein Matthias Claudius sein. Ebensowenig dachte ich mehr daran, in die Riege der deutschen Dichter und Denker aufgenommen zu werden.
Doch dann lernte ich Britta Wisniewski und ihren damaligen Traumstunden Verlag kennen. Schnell kamen wir ins Gespräch, wurden Freunde und Kollegen. Und sie war es, die mich dann in die Riege eben dieser historischen Deutschen erhob. Anfänglich fühlte es sich wie ein schweres Demoklesschwert an, doch schnell begriff ich, dass sie damit durchaus recht hatte.
Ich gehörte auf einmal zu den „Dichter und Denkern“. Je mehr ich mich in der Autorenlandschaft umsah, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass ich wohl einer der letzten dieser Gattung bin. 
Und leider hat sich bis heute daran kaum etwas geändert. Wo mir Geschichte, aber eben auch Tradition noch wichtig ist, wird sie von den meisten Autoren vernachläßigt. Natürlich ist es wichtig, auch mit der Zeit zu gehen, seine ganz eigene Stimme zu entwickeln, dennoch sollte dabei die Tradition nicht in Vergessenheit geraten.
Leider ist es zur Zeit anders.
Der Wandsbecker Bothe schaffte es nie aus den roten Zahlen heraus, wurde bereits nach vier Jahren wieder eingestellt - dennoch war diese politische Volkszeitschrift das Sprungbrett für den Dichter eines der populärsten Volksliedern überhaupt (Der Mond ist aufgegangen aka Abendlied).

EINE RÜCKKEHR NACH HAMBURG
Eigentlich wollte ich nie wieder nach Deutschland, nach Hamburg zurück (so wie ich damals niemals nach Hamburg ziehen wollte) und doch ging es nach wenigen Jahren auf Mauritius zurück nach Deutschland. Mit einem vierjährigen Zwischenstop im Ruhrgebiet bin ich seit Jahresende wieder in Hamburg und gewillt, mir hier meine Zukunft aufzubauen.
Wie lange ich es diesmal in Hamburg aushalte, ist sogar mir ungewiss. Aber noch habe ich hier viel zu entdecken. Und die Gesammelten Werke von Matthias Claudius sind nur ein Bruchteil dessen.
Aber nicht nur Hamburg hat mich wieder, auch Schleswig-Holstein werde ich regelmäßig unsicher machen. Fortan wird mein Leben und Werken erst einmal zwischen der Elbe und der Schlei stattfinden. 
Und ich freue mich darauf!

Euer

Christian Bass

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